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22.05.2021

Bartsch-Herzog in ESSLING Nr. 3

In den folgenden Tagen stellen wir dir das AutorInnenteam des stadtteilmagazins und ihre Artikel der Winterausgabe 2020 vor. Hier der Artikel von Bettina Bartsch-Herzog "Von Blüten-Sex bis Artenschutz - Ein Gespräch mit Reinhold Gayl".

Seine Liebe zur Botanik entdeckte der Esslinger Biologe Reinhold Gayl bereits während seines Studiums und seine Augen leuchten, wenn er von den Wundern der Natur erzählt. Er hat nicht nur viele Jahre Biologie unterrichtet, sondern ist auch Autor zahlreicher Bücher über die österreichische Fauna und Flora. Von seinem ersten Bildband „Auenblicke“ (1984) bis zu seinem erfolgreichen Buch „Blüten-Sex“ (2018) hat sich der gebürtige Kärntner immer wieder von der Schönheit der Natur beeindrucken lassen. Er weiß auch wie sensibel unser Ökosystem ist und welche Herausforderungen wir in Zukunft zu bewältigen haben. 

Herr Gayl, beim Hereinkommen habe ich an Ihrem Gartenzaun ein Schild entdeckt auf dem steht: „Auszeichnung für Naturnähe und Förderung der Vielfalt von lokalen Tier- und Pflanzenarten“. Von wem wird diese Auszeichnung vergeben und welche Voraussetzungen braucht man dafür?

Diese Auszeichnung wird von der Gemeinde Wien vergeben. Das nennt sich „Naturnahe Grünoase“ und geht darauf zurück, dass wir kaum fremdländische Pflanzen in unserem Garten haben und unser Gebüsch eher verwahrlosen lassen. Wir mähen auch das Gras äußerst selten, weil ich einen Horror davor habe, dass die Viecher nichts mehr finden. Dann haben wir hinterm Haus einen alten Holzstoß für Insekten und verwenden natürlich keine chemischen Dünge- oder Pflanzenschutzmittel. 

Sie kommen ja aus Kärnten und haben nach dem Studium in Wien viele Jahre in Brasilien gelebt. Was hat Sie nach Essling verschlagen?

Ursprünglich bin ich durch mein Studium nach Wien gekommen, aber wirklich sesshaft bin ich hier erst nach meinem Brasilienaufenthalt geworden. Damals wollte ich mit meiner Frau eine Immobilie kaufen und da haben wir diesen verwilderten Garten entdeckt, wo wir viele Jahre später unser Haus gebaut haben. Für die Recherchen zu meinem Buch „Auenblicke“ war ich ja buchstäblich jede freie Minute in der Au. Das war schon immer mein Lieblingsbiotop. 

Nach „Auenblicke“ haben Sie noch mehrere Bücher verfasst und obwohl Sie schon seit einigen Jahren in Pension sind, schreiben Sie noch weiter und halten Vorträge. Was bewegt Sie dazu?

Ich habe mich selber mein Leben lang ständig weitergebildet, weil mich so vieles interessiert und ich immer wieder etwas Neues lernen will. In meinem Beruf ist das auch sehr wichtig, weil es ständig neue Erkenntnisse gibt. Aber die Pflanzen, vor allem deren Fortpflanzung, haben es mir besonders angetan, weil das so gut läuft. Das ist ja eine Form von Evolution, die wir täglich vor unserer Haustür beobachten können. 

Leider sehen das die wenigsten Menschen. Weil man nur sieht, was man weiß. Auch ich sehe Dinge vor allem dann, wenn ich´s weiß. Gerade bei der Blütenbiologie ist es so, dass ich etwas lese und dann losgehe und nachschaue, ob das stimmt. Dadurch werden einem die Augen geöffnet und auf einmal entdeckt man Dinge, die man vorher gar nicht wahrgenommen hat. So habe ich immer mehr gelernt und erkannt, wie phantastisch das Zusammenspiel von Blüten und Insekten funktioniert. Das ist für mich eines der größten Wunder der Evolution und das möchte ich mit meinem Buch „Blüten Sex“ auch anderen vermitteln.

Sie haben sich viele Jahre der Erforschung des Nationalparks Donau-Auen gewidmet. Was ist das Besondere an dieser Landschaft?

Ja, die Lobau ist durch ihre vielfältige Beschaffenheit wirklich einmalig und für BiologInnen eine wahre Fundgrube. Wenn ich daran denke, dass nur in der Lobau Heißländen vorkommen: Das sind steppenähnliche Landschaften auf trockenen Standorten, wo es verschiede Orchideenarten gibt, die man sonst nirgendwo findet. Auch gefährdete Baumarten wie zum Beispiel Silberweide und Schwarzpappel haben in der Lobau einen geschützten Lebensraum, die wiederum große Bedeutung für viele Käfer, Larven und die Vogelwelt haben. Das ist ein wunderbares Ökosystem, was bis heute noch relativ unerforscht ist. Aber es hat sich auch hier viel geändert und der Artenrückgang ist deutlich spürbar. 

Welche Veränderungen sind das?

Es ist leider in den letzten Jahren sehr viel abgeholzt worden und das hat natürlich großen Einfluss auf den Artenbestand. Manchmal macht man das aus Sicherheitsgründen, aber es ist zum Teil einfach große Unwissenheit. Ich bemühe mich auch hier immer wieder Wissen zu vermitteln. 

Im Moment erlebe ich vor allem den Tierschwund sehr stark. Früher hat es bei uns nur so gewuselt von Tieren und jetzt bin ich schon ganz glücklich, wenn mal eine Wanze zu uns herein findet. Der Insektenschwund ist wirklich ein gravierendes Problem und der liegt zum großen Teil an der falschen Bewirtschaftung, auch im Nationalpark.

Die größte Herausforderung sehe ich aber in der Austrocknung der Lobau. Wenn man da nicht bald Maßnahmen ergreift, wird das den gesamten Artenbestand massiv beeinflussen. 

Sind wir EsslingerInnen da besonders gefordert?

Ja, wir können alle sehr viel dazu beitragen, indem wir unsere Achtsamkeit durch mehr Bildung schärfen. Das gilt zum Einen für die Bewirtschaftung der Lobau, aber auch für die BesucherInnen. Da der Touristendruck zunehmend stärker wird, ist es besonders wichtig, mehr Wissen zu vermitteln.

Für das sensible Ökosystem ist vor allem die Erhaltung möglichst vieler Arten unerlässlich. Wir können alle etwas dazu beitragen, dass zum Beispiel die Vielzahl der blühenden Pflanzen größer wird. Wenn mehr Blumenwiesen und naturnahe Gärten entstehen, schaffen wir nicht nur Lebensraum für viele Insekten, sondern stärken damit auch unsere eigene Gesundheit und unser Wohlbefinden. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Text: Bettina Bartsch-Herzog

Illustration: Hermann Steier

AutorIn:

Leya Hempel


Tagged: Stadtteilmagazin

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